Samstagvormittag in Bonn. Wir sitzen in einem Café im Zentrum Bonns. Draußen ist nicht viel los, aber im Café schon. Junge Familien trudeln ein, Töchter trinken mit ihren Müttern Kaffee, es ist Frühstückszeit und das Leben scheint für einen Moment schön zu sein. Wir bestellen zwei Espresso. Anders als wir es aus Zagreb gewohnt sind, bekommen wir den erst nach zehn Minuten. Bis dahin habe ich schon den Artikel über den Literaturnobelpreisträger Jon Fosse im Spiegel gelesen.
Jon Fosse. Schriftsteller, Essayist und einer der meistproduzierten zeitgenössischen Dramatiker Europas. Ich lese nicht nur den Artikel im Spiegel sondern auch Merve Emres Stück im New Yorker (November 2022), um noch mal ins Bewusstsein zu rufen, was Fosse alles geschrieben hat. Letztes Jahr, zur gleichen Zeit, habe ich in Zagreb sein neustes Buch gesehen. Der Buchladen am Jelačić Platz hatte seine Fenster mit Aufschrift und Cover verziert. Gekauft hatte ich es trotzdem nicht, lesen wollte ich es aber allemal. Irgendwann. Das Irgendwann ist jetzt da, Fosse ist Literaturnobelpreisträger und der Artikel hat mich auf einen Titel besonders aufmerksam gemacht, Traum im Herbst. Ich mag den Herbst, die beschriebene Szenerie und Geschichte scheinen nahezu perfekt zu sein.
Zwei Stunden später verlassen wir das Café und laufen in Richtung Buchladen. Fairerweise werde ich den Namen nicht nennen. Die haben aber sicherlich was von Fosse, war ja schließlich mit Annie Ernaux auch der Fall. Sie nickt und tippt auf ihrem Smartphone weiter. Im Buchladen schaue ich selbst: Jonathan Franzen, Michel Houellebecq, Ken Follett, Ferdinand von Schirach… Ah, Schirach, sein neustes Werk Regen ist eine faszinierende Geschichte. Überhaupt ist er ein brillianter Schriftsteller. Weswegen sind wir noch mal gekommen, frage ich. Fosse sagt sie, du wolltest nach Fosse schauen. Ich schnappe mir Navid Kermanis neustes Buch, lese ein wenig drin und höre das Gespräch eines alten Ehepaars in unmittelbarer Nähe. Man kann es nicht überhören. Er zeigt ihr Houellebecq, sie flippt aus. Was willst du denn mit dem, weißt du denn nicht wer er ist? Aber Houell… – nein, leg das weg, den sollst du nicht lesen. Als wäre es das elfte Gebot. Ich lege Kermani weg und suche weiter, finde Fosse aber nicht. Ich frage freundlich nach. Dann bekomme ich eine Antwort, die mir den halben Samstag vermiesen wird.
Haben wir nicht. Werden wir so schnell auch nicht bekommen. Sie hatten auch vorher nichts von ihm? Nein, den kennt doch kein Mensch. Sicher nicht? Ja, keiner kennt Jon Fosse. Aber er ist einer der meistproduzierten zeitgenössischen Dramatiker Europas? Er schreibt tolle Sachen. Quatsch, ist mir zu depressiv, braucht kein Mensch. Alles klar sage ich und lasse das einfach so stehen, auch wenn ich dazu gerne was sagen würde. Es ist Samstag, das Wetter ist toll und wir müssen weiter.